Ein Gespräch mit Omri Metzer (Human Rights Defenders Fund) und Riad Othman (medico international)
Am 24. Juli 2023 verabschiedete die Knesset trotz anhaltender Proteste ein Gesetz zur Abschaffung der „Angemessenheitsklausel“. Die regierende Rechtskoalition in Israel unternahm damit den ersten Schritt zur Entmachtung des Obersten Gerichtshofs und schlug den seit Längerem angekündigten Weg des antidemokratischen Umbaus des Justizwesens ein. Die angestrebte Aushebelung der Gewaltenteilung in Israel sowie die Proteste dagegen beschäftigen seit Monaten auch Politiker:innen, die Presse und Öffentlichkeit in Deutschland. Tatsächlich hat die von der israelischen Rechten vorangetriebene Entmachtung des Obersten Gerichtshofs zu einer Massenmobilisierung geführt, wie sie seit der Friedensbewegung der 1980er Jahre oder zuletzt 2011 anlässlich der untragbaren Lebenshaltungskosten in Israel bei den Protesten auf dem Tel Aviver Rothschild Boulevard nicht mehr zu sehen war.
Der Diskurs, der Israel immer wieder als einzige Demokratie im Nahen Osten dargestellt hat, ist mit der Regierungsbeteiligung von Leuten wie Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich zum ersten Mal ernsthaft ins Wanken geraten, obwohl israelische Regierungen unterschiedlicher Couleur gegenüber beträchtlichen Teilen der Bevölkerung unter ihrer Kontrolle seit Jahrzehnten antidemokratisch geherrscht haben. Analog dazu bleiben der große blinde Fleck bei der Mehrheit der Protestierenden in Israel die Besatzung und geplante antipalästinensische Vorhaben.
Vor dem Hintergrund der jetzigen Situation werden uns zentrale übergeordnete Fragen beschäftigen: Wie demokratisch kann ein Staat sein, der ein anderes Kollektiv dauerhaft besetzt hält und ein einziges ethnoreligiös definiertes Kollektiv als das alleinig legitime definiert?
Abgesehen davon, werden wir über tagespolitisch aktuelle Fragen sprechen: Was bedeutet der Umbau des Justizwesens ganz praktisch? Welche anderen antidemokratischen Maßnahmen sind eigentlich geplant oder bereits umgesetzt, die hierzulande wenig oder gar keine mediale Aufmerksamkeit bekommen haben? Welche weiteren Entwicklungen sind wahrscheinlich?
Zu den Personen
Omri Metzer ist Direktor der israelischen Organisation Human Rights Defenders Fund (HRDF), deren Arbeit medico international unterstützt. Er ist auch ein langjähriger Aktivist bei Ta’ayush – Arab Jewish Partnership und war früher u. a. für die israelischen medico-Partner HaMoked und Breaking the Silence tätig. Omri hat an der Hebräischen Universität in Jerusalem in Politikwissenschaft promoviert.
Riad Othman leitete von 2012 bis 2015 das Israel-Palästina-Büro der Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international e.V. Seit 2016 arbeitet er als Nahostreferent mit diesem Schwerpunkt von Berlin aus.
Der Eintritt ist frei. Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.